Mahn- und Gedenkstätte Ahlem des Landkreises Hannover
Freitag, 30. Juni 2000, 19 Uhr


"Heil Hitler kann ich nicht sagen."
Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in der NS-Zeit
Vorstellung des gleichnamigen Informationsblattes


Sehr geehrte Frau Lehmberg!
Liebe Zeitzeugen!
Sehr geehrter Herr Dr. Garbe,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herzlichen Dank für Einladung.
Vielen Dank für die Herausgabe des gelungenen Informationsblattes durch den Landrat und das Kulturamt des Landkreises.

Um Ihnen das Informationsblatt vorzustellen, schlage ich vor, Teile daraus zu kommentieren, soweit es die zur Verfügung stehende Redezeit erlaubt.

Auf der Titelseite, und auch inhaltlich im Mittelpunkt, steht Else oder Elly Baar, nach ihrer Heirat Elly Reulecke-Baar, eine Zeugin Jehovas und Bürgerin Hannovers.

Sie ist 1989 verstorben. Geboren war sie allerdings in Landsberg an der Warthe am 9. Mai 1898. Sie siedelte wahrscheinlich schon früh zusammen mit ihre Mutter nach Hannover um.

Wir wissen aus ihrem Lebensbericht, daß sie als Opernsängerin am Stadttheater Stargard (Pommern) arbeitete, bevor sie nach Berlin ging, um ihre Studien zu ergänzen. Dort lernte sie die Bibelforscher kennen und nahm deren Glauben an.

Sie kehrte im Dezember 1927 nach Hannover zurück, wohnte in der Celler Straße 103 und arbeitete als Opernsängerin und Musiklehrerin. Die Celler Straße liegt in der Mitte Hannovers, nicht allzu weit vom Hauptbahnhof entfernt. (Wie ich heute von Herrn Hoffmann erfahren habe, wohnte sie später, offenbar nach 1945, in der Lister Meile 85, 3. Stock rechts. Solche detaillierte Angaben erhält man, wenn man es mit Zeitzeugen zu tun hat.)

Sie begleitete den Gesang der Bibelforscher-Gemeinde am Klavier, die in einer Schulaula im Zentrum der Stadt zu ihren gottesdienstlichen Versammlungen zusammenkam. Damals gab es noch eine "Kinderschule" der Bibelforscher, in der sie als Lehrerin eingesetzt war.

Ihre Bemerkung "'Heil Hitler' kann ich nicht sagen" weist auf ein wesentliches und wichtiges Merkmal der Angehörigen der Glaubensgemeinschaft im Verhalten der staatlichen Obrigkeit gegenüber hin, das bis heute Anlaß zu Irritationen und Mißverständnissen gibt, obgleich ihre Haltung von großer Zivilcourage zeugt.

In Hitler-Deutschland führte das widerständige Verhalten – "'Heil Hitler' kann ich nicht sagen" – zu massiven Gegenmaßnahmen, sprich: Verfolgung, von seiten der Behörden, der Polizei, der Justiz, ja von Teilen der Bevölkerung, die sich der nationalsozialistischen Weltanschauung gegenüber verpflichtet fühlten und keine andere Meinung tolerieren wollten und durften.

Bevor ich auf diesen Punkt eingehe, möchte ich zu einigen Ereignissen im Leben von Frau Reulecke-Baar kommen, die im Informationsblatt erwähnt werden.

Sie beteiligte sich zum Beispiel an der Flugblattaktion vom 12. Dezember 1936 und verbreitete, wie später Gestapobeamte zu Protokoll gaben, "etwa 50 - 60 Stück […] in der Isernhagener Straße in Hannover". (Die Isernhagener Straße liegt ganz in der Nähe ihrer Wohnung in der Celler Straße im Zentrums Hannovers.)

Worum handelt es sich bei dieser Flugschrift? Eine Abbildung ist in einem Buch der Stadt München, das 1998 im Rahmen der Ausstellung "Widerstand, Verweigerung und Protest gegen das NS-Regime in München" entstand, zu sehen. In dem Flugblatt, eine Kongreßresolution, die im September 1936 in der Schweiz gefaßt wurde, heißt es unter anderem: "Das Gesetz Gottes ist das höchste Gesetz. Gott ist erhaben über allem, und gleichwie Jesus und die Apostel Gott vor allen Dingen und zu allen Zeiten dienten und bezeugten, dies tun zu wollen, so erklären auch wir, daß wir Gott mehr gehorchen wollen als den Menschen. Wir rufen alle gutgesinnten Menschen auf, davon Kenntnis zu nehmen, daß Jehovas Zeugen in Deutschland, Österreich und anderswo grausam verfolgt, mit Gefängnis bestraft, und auf teuflische Weise mißhandelt und manche von ihnen getötet werden."

Über die Verteilung dieses Flugblattes stellt Dr. Elke Imberger, Oberarchivrätin des Landesarchivs Schleswig-Holstein, fest: "Die Verbreitung der 'Resolution' [am 12. Dezember 1936] und des 'Offenen Briefs' [am 20. Juni 1937 waren] nicht nur eine besonders spektakuläre, sondern auch eine neue Form der öffentlichen Verkündigungstätigkeit . . . [Es handelte sich] um reichsweite Aktionen, die so gut koordiniert waren, daß sie in ganz Deutschland am selben Tag zur selben Zeit stattfinden konnten. ... Während der ganzen NS-Zeit gab es in Deutschland keine andere Widerstandsorganisation, die eine vergleichbare Initiative durchführte" (Widerstand "von unten". Widerstand und Dissens aus den Reihen der Arbeiterbewegung und der Zeugen Jehovas in Lübeck und Schleswig-Holstein 1933–1945, Neumünster 1991, S. 345.).

Abbildungen der beiden genannten Flugblätter finden Sie übrigens auch in unserer Broschüre Lila Winkel – die 'vergessenen Opfer' des NS-Regimes. Die Geschichte eines bemerkenswerten Widerstandes, Seite 7. Ausgaben dieses Heftes liegen für Sie bereit.

Greifen wir eine weitere Begebenheit aus dem Informationsblatt – aus dem Leben von Frau Reulecke-Baar – heraus. Sie schildert, wie sie in die Frauenkonzentrationslager Moringen und Lichtenburg kam. Sie finden diese Stelle im Informationsblatt über dem Foto des Aufdrucks auf KZ-Briefen: "Die Schutzhaftgefangene ist nach wie vor hartnäckige Bibelforscherin und weigert sich, von der Irrlehre der Bibelforscher abzulassen."

Sie schreibt: "Wir blieben nicht lange in Moringen, wurden in dunkler Nacht abtransportiert nach Lichtenburg in der Nähe von Torgau."

Neuere Forschungen von Hans Hesse und Jürgen Harder aus Göttingen erhärten, worauf Herr Dr. Garbe bereits in seiner Dissertation hingewiesen hatte: Der Anteil der Bibelforscherinnen oder Zeugen Jehovas an der Belegschaft der frühen Frauen-KZ war weitaus höher als allgemein bekannt ist.

Für Moringen sind die Zeuginnen Jehovas seit 1935 nachweisbar. Im Juni 1937 machten Zeuginnen Jehovas dort einen Anteil von 17% aus, der in den folgenden Monaten stieg – bis auf 80% im Oktober und sogar auf 89% im Dezember. In diesem Monat, Dezember 1937, traf der erste Transport von Frauen aus dem Frauen-KZ Moringen in Lichtenburg ein. Weitere Transporte folgten. Insgesamt befanden sich im März 1938 etwa 500 Frauen auf der Lichtenburg – der weitaus größte Teil von ihnen waren Zeuginnen Jehovas. Auch hier kommt Hans Hesse zu überraschenden Ergebnisse: Die Zeuginnen Jehovas stellten in den Jahren 1937/1938 mit 45,9% die größte Häftlingsgruppe.

Im Mai 1939, nach der Räumung dieses KZ, kamen die Frauen in das neue Lager Ravensbrück, wo am 21. Mai unter den 974 registrierten Häftlingen in Ravensbrück 388 Bibelforscherinnen waren – das sind über 39,8 Prozent. Der prozentuale Anteil sank allerdings über die Jahre kontinuierlich bis auf nachweisbare 9% bereits 1942 (Quelle: Hans Hesse). In dem erst kürzlich verlegten, neuen Werk Kalendarium der Ereignisse im FKL Ravensbrück 1939-1945 (von Grit Philipp, Berlin 1999) spielen die Zeuginnen Jehovas dagegen eine nur marginale Rolle.

Zurück zu Elly Reulecke-Baar. Ihr wurde, wie allen anderen inhaftierten Zeuginnen Jehovas, eine sogenannte "Verpflichtungserklärung" zur Unterschrift vorgelegt. Wie erwähnt, finden Sie eine Abbildung davon im Informationsblatt.

Der Text solcher Erklärungen variierte im Laufe der Zeit von relativ "harmlosen" und für einen Zeugen Jehovas durchaus "akzeptablen" Text bis zu Formulierungen, die zur Abschwörung des Glaubens und Anzeige der ehemaligen Mitbrüder verpflichten sollten. Obwohl relativ wenige unterschrieben, ist Unterschrift hier nicht immer gleich Unterschrift. Gerade das Beispiel Elly Reulecke-Baars, die aufgrund einer Unterschrift freikam, ermuntert zu einer differenzierten Beurteilung solcher Fälle.

Übrigens veröffentlichten Jehovas Zeugen in der Schweiz bereits im Jahre 1938 das Foto einer "Verpflichtungserklärung" in dem Buch Kreuzzug gegen das Christentum.

Der Titel des Informationsblattes, "'Heil Hitler' kann ich nicht sagen" Die Verfolgung der Zeugen Jehovas, ist gut gewählt, weißt er doch, wie erwähnt, auf das besondere Verhalten der Zeugen Jehovas staatlichen Macht gegenüber hin, was bis heute Anlaß zu Mißverständnissen gibt. Selbst einige Fachhistoriker haben die falsche Information verbreitet, Jehovas Zeugen lehnen jegliche staatliche Autorität ab.

In Wirklichkeit haben Jehovas Zeugen damals wie heute die Autorität des Staats und seiner Organe respektiert, folgten jedoch gleichzeitig der biblischen Maxime: "Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen" (Apostelgeschichte, Kapitel 5, Vers 29). Sie finden dieses Bibelzitat auf der zweiten Seite des Informationsblattes, ganz unten.

"Heil Hitler" kann ich nicht sagen, aber den Staat respektiere ich!

Frau Reulecke-Baar – sie stand damals vor dem Lagerkommandanten in Lichtenburg – wies darauf wie folgt hin, und im Informationsblatt finden Sie Ihre Worte über dem Foto der "Verpflichtungserklärung": "Da legte er mir einen kleinen Zettel vor, worauf stand, dass ich dem christlichen Glauben gemäß leben wolle und die Landesgesetze respektiere. … Ich sagte: ’ Die Landesgesetze haben wir immer respektiert, aber ’Heil Hitler!’ kann ich nicht sagen."

"Die Landesgesetze haben wir immer respektiert" – Ja, Jehovas Zeugen sind gesetzestreue Bürger und damit eine Bereicherung für jedes Gemeinwesen. Sie glauben nicht, daß jede Regierung vom Teufel eingesetzt ist, wie in der Nazizeit und bis heute immer wieder fälschlich von Personen unterschiedlichster Herkunft kolportiert wird. Manche Herrscher und irdische Regierungen haben teuflische Eigenschaften offenbart, als sie zahllose unschuldige Menschen kaltblütig ermorden und dann die toten Körper beseitigen ließen. Daher glauben Jehovas Zeugen, daß einige Regierungen in der Vergangenheit tatsächlich unmittelbar unter dem direkten Einfluß des Teufels und seiner Dämonen, der gefallenen Engel, gestanden haben müssen.

Die biblische Lehre von der zeitlich befristeten Macht Satans über die Welt und ihre Systeme ist für Jehovas Zeugen eine befriedigende Erklärung dafür, warum Gott das Böse aus bestimmten Gründen eine Zeitlang zuläßt und auch dafür, daß der Allmächtige für das Elend und das Leid auf unserem Planeten auf keinen Fall verantwortlich gemacht werden kann.

Warum kommt es dann manchmal zu Konflikten zwischen gewissen Staatsformen und Jehovas Zeugen? Weil Jehovas Zeugen die Gebote der Bibel ausleben, zum Beispiel, was Jesus Christus gemäß Markus Kapitel 13, Vers 17 sagte: "Zahlt Cäsars Dinge Cäsar zurück, Gottes Dinge aber Gott."

Zu den Dingen, die Gott unabdingbar gehören, zählen für Jehovas Zeugen das Leben und die Anbetung. Ihr Leben haben sie Gott hingegeben und bilden eine internationale friedfertige Bruderschaft. Daher konnten sie keinen Eid darauf leisten, ihr Leben für den "Führer" oder das Vaterland, ganz gleich in welchem Land der Erde sie lebten, zu opfern. Ihr christlicher Glaube verbot ihnen, anderen Menschen Gewalt anzutun. Und einem Menschen "Heil" zuzuschreiben, wenn doch Heil oder Rettung nur von Gott und Christus kommen, war gegen ihr biblisch geschultes Gewissen.

"Heil Hitler kann ich nicht sagen!"

Im Informationsblatt finden Sie auf der zweiten Seite im ersten Absatz einen Hinweis auf die Religionsausübung, und diese Hintergrundinformation ist dankenswerter Weise von der Redaktion durch Frau Lehmberg (und Herrn Dr. Garbe) hinzugefügt worden: "Die Zeugen Jehovas verstehen sich als die bibeltreuen Untertanen einer Theokratie, als 'Gottes Volk'."

Es war das bibeltreue Ausleben urchristlicher Standpunkte, das Elly Reulecke-Baar in Konflikt mit dem totalitären Staat brachte.

Übrigens sprach die christliche Urgemeinde des 1. Jahrhundert u. Z. von sich als von "Gottes Volk", so im 1. Petrusbrief, Kapitel 2, Vers 10, wo der Apostel an die Gemeinde in Palästina schrieb: "Denn einst wart ihr kein Volk, jetzt aber seid ihr Gottes Volk."

Weiter heißt es im Informationsblatt: "Die kirchliche Glaubenslehre wird in ihren Hauptstücken abgelehnt."

Dazu ein kurzer, erklärender Hinweis aus dem Lexikon der Hamburger Religionsgemeinschaften. Religionsvielfalt in der Stadt von A-Z (hg. Von Wolfgang Grünberg u.a., Seminar für Praktische Theologie der Universität Hamburg, Hamburg 1995, S. 121): "Jehovas Zeugen glauben an den Vater (Jehova), den Sohn (Jesus Christus) und den heiligen Geist. Sie lehnen jedoch die Lehre von der Dreieinigkeit ab. […] Jehova Gott, der allmächtige Vater, ist mit seinem Sohn Jesus Christus zwar wesensgleich (=göttlich), doch nicht wesenseins (= nicht eine Person); der heilige Geist ist keine Person, sondern Gottes unsichtbare wirksame Kraft."

Jehovas Zeugen sind zwar keine Trinitarier – die Tradition, einen dreifaltigen Gott anzurufen, gehört seit dem 3. und 4. Jahrhundert zum Kernstück kirchlicher Glaubenslehre –, doch sie glauben an Jesus Christus, sein Lösegeld und das Kommen einer himmlischen Regierung, um das sie im Vaterunser ("Dein Reich komme!") beten. Aus der langen Kirchengeschichte kennen wir viele Gruppen, die die Dreifaltigkeitslehre ablehnten und dafür büßen mußten. Die Zeugen Jehovas ließen sich nicht beirren: Das Tausendjährige Friedensreich auf Erden würde Jehova Gott durch seinen Christus, nicht Herr Hitler aufrichten. Und da sie darin zu leben wünschten und an die irdische Auferstehung der Toten glaubten, waren sie sogar bereit, für diese Überzeugung zu sterben.

Doch kehren wir noch einmal zurück zu Frau Reulecke-Baar. In dem Informationsblatt wird aus ihrem Lebensbericht zitiert, einem Brief an die Wachtturm-Gesellschaft vom 1. Februar 1971, der sich heute im Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas in Selters/Taunus befindet. Er beginnt mit den Worten: "Liebe Brüder! Zu Jehovas Ehre will ich diesen Bericht geben und damit anfangen, wie ich die Wahrheit kennen lernte."



[Dieser Teil wurde aus Zeitgründen weggelassen.] Hier ein Auszug, der zeigt, daß die Religionsgemeinschaft schon damls auf Vorurteile und Vorbehalte stieß:

"Dort [in Berlin] angekommen, treffe ich einen Kollegen, der mir erzählt, er wohnt bei einer Bibelforscherin (auch einer früheren Opernsängerin, Schw[ester] Pasant). Diese habe ihm einige interessante Dinge aus der Bibel erzählt. Ich erwiderte sofort: 'Laß mich mit dieser Sekte in Ruhe, ich glaube nicht mehr, was die Kirche sagt, noch viel weniger was diese Fanatiker sagen.' (Ich war durch den 1. Weltkrieg vom Glauben gänzlich abgekommen. Ich sagte mir: Einen [einzigen] Gott gibt es nur. Die Gebete welchen Landes soll er denn erhören? Alle Völker beteten für ihre Angehörigen im Felde und den Sieg.) Der Kollege sagte mir: 'Das ist etwas ganz anderes als wie die Kirchen sagen. Am nächsten Sonntag ist ein Vortrag in der Philharmonie (einer der damals größten Säle Berlins). Wollen wir nicht einmal hingehen?' Ich antwortete: 'Hingehen können wir ja. Man soll sich ja erst alles anhören und dann urteilen.'

Also gingen wir hin. Ich war sehr überrascht von dem, was ich da hörte, glaubte aber nicht, daß derartiges in der Bibel steht. Also kaufte ich mir eine kleine Lutherbibel für 1.00 Mark und das Buch "Die Harfe Gottes" für 80 Pfennig."

Machen wir einen Sprung zu einer (anderen) Begebenheit in ihrem Bericht:



Das berühmte "Photo-Drama der Schöpfung" (nach einer Kürzung und Revision "Schöpfungsdrama" genannt) war ursprünglich eine kostenlose, achtstündige Vorführung (vier Teile von je zwei Stunden), die mittels Bild und Ton von der biblischen Schöpfungsgeschichte durch die Weltgeschichte bis zum Ende der verheißenen Tausendjahrherrschaft Jesu Christi führte. Elly Reulecke-Baar erinnert sich wie folgt an Vorführungen in Hannover:

"Dann wurde das Photo-Drama bei uns im Konzerthaus, damals einer der größten Säle Hannovers, aufgeführt. Der Saal war immer überfüllt. Hunderte standen draußen, die Polizei sperrte ab. Ich hatte Ordnungsdienst. Br[uder] Alfred Decker leitete die Vorführung und Br[uder] Heinrich Lutterbach leitete ein kleines Orchester. Später bin ich noch mit den Brüdern mitgefahren in die näheren Städte, wie Hildesheim, Celle usw. Und habe auch öffentlich gesungen. Dann kam das Jahr 1933. Unser Werk wurde verboten. […] Dann kam das endgültige Verbot. Wir wurden nun in sogenannte 'Zellen' aufgeteilt, wo wir bis zu fünf Personen zusammenkamen. Vier Personen und ein Zellenleiter oder -leiterin. Ich wurde auch dazu ernannt. Am 7. Oktober 1934 versammelten wir uns in kleinen Gruppen und verfaßten das Protesttelegramm an Hitler, daß er aufhören soll, 'Jehovas Zeugen zu verfolgen, sonst würde Gott ihn und seine nationale Partei vernichten'. Es war eine sehr ernste aber erhebende Zusammenkunft."

Elly Reulecke-Baar erlebte, wie der "Führer", der sich wie ein Gott benahm, und seine Partei vernichtet wurden. Sie erlebte das Ende der Welt – einer barbarischen "braunen" Welt.

Dem Kulturamt, Frau Lehmberg, und allen Beteiligten sei nochmals herzlich dafür gedankt, daß sie die Geschichte der Elly Reulecke-Baar, einer couragierten Frau, die ihrem Gewissen folgte, stellvertretend für viele andere Zeugen Jehovas in Hannover und in Deutschland einem interessierten Publikum zugänglich machen.

Johannes Wrobel, Selters/Taunus




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