Begrüßung der Gäste anlässlich der Enthüllung der Memorialtafel für die NS-Opfergruppe der Zeugen Jehovas in der KZ-Gedenkstätte Dachau

Freitag, 8. August 2003, 13.00 Uhr

(1) Grußwort/Rede der Gedenkstättenleitung

Frau Dr. Barbara Distel - Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau

(2) Manuskript W. R. Kirste, Dachau

Sehr geehrte Frau Dr. Distel, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie als Vertreter der Zeugen Jehovas, Gemeinde Dachau, zu dieser Enthüllungsfeier herzlich willkommen heißen!

Wir danken der Gedenkstättenleitung vielmals, die dieses Ereignis in ihren Räumen möglich macht!

Im besonderen begrüße ich zwei mir namentlich bekannte Zeitzeugen, Herrn Dr. Max Mannheimer, den Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Dachau, und Herrn Alexander Ebstein, der gleichzeitig die Gemeinden der Zeugen Jehovas in München vertritt. Herr Ebstein wird die Enthüllung der Gedenktafel vornehmen, zusammen mit Frau Dr. Distel. Vielen Dank für ihr Kommen!

Ich freue mich auch, dass vor der Tafelenthüllung Herr Johannes S. Wrobel vom Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas in Selters/Taunus zu uns sprechen wird.

Wir hörten Eingangs die Intonierung eines im KZ entstandenen Liedes in seiner Originalfassung. Der Text spricht von dem großen Gottvertrauen inhaftierter „Bibelforscher“, wie Jehovas Zeugen sich früher auch nannten.

Ihres Leidens und Sterbens im Konzentrationslager Dachau mittels eines dauerhaften Zeichens zu gedenken sind wir heute zusammen gekommen!

Gleichzeitig halten wir den Blick auf das gerichtet, was sie uns hinterlassen haben.

Aus dem Mund eines mitinhaftierten Kameraden, der kein Zeuge Jehovas war, erfahren wir von solch bleibenden Werten.

Alfred Hübsch beschrieb in seinem unveröffentlichten Manuskript für das Buch „Insel des Standrechts, Geheimaufzeichnungen des Pförtners von Dachau“, dass im Archiv der Gedenkstätte Dachau aufbewahrt wird, folgendes:

Ihr durch nichts zu erschütternder Glaube ließ sie alle furchtbaren Schikanen die von der SS speziell ihnen gegenüber angewendet wurden, mit größter Todesverachtung ertragen. Anfänglich waren sie draußen im Lager. Dann versuchte die Lagerführung, sie zu bewegen, ihren Glauben als eine Irrlehre anzusehen, sie sollten diesbezüglich vorgedruckte Formulare unterschreiben, sollten die Gesetze und Verordnungen des 3.  Reiches zum Schutze von Volk und Staat anerkennen und darüber hinaus sich verpflichten, Heeres­dienste zu leisten. Aber der Wille der SS brach an ihrem Mut! – Daraufhin wurden sie 1937 in die Straf­kompanie verlegt und zwar auf Dauer! – Hier wurden besonders sie zu härtester Arbeit gezwungen. Ich wurde Augenzeuge ihres Martyriums nach einigen Wochen, als ich in ihr Kommando straf­versetzt wurde.“

Dieses Beispiel der UNBEUGSAMKEIT und STANDHAFTIGKEIT ist ein bleibendes Erbe und sollte niemals vergessen werden.

Warum wurden Jehovas Zeugen als religiöse Gemeinschaft von Anfang an mit aller Härte zum Gegenstand der Verfolgung durch den NS-Staat?

Es war nicht ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten RASSE, einer oppositionellen politischen Bewegung.

Jehovas Zeugen passten wegen ihrer Glaubensinhalte nicht in das Gleichschaltungs-Schema des nationalsozialistischen Systems und wurden daher schon kurze Zeit nach dem Machtantritt Adolf Hitlers Gegenstand der Verfolgung, Verhaftung und Einweisung in Konzentrationslager.

Hier im Konzentrationslager Dachau litten Hunderte Bibelforscher (Zeugen Jehovas), eine Anzahl von ihnen kam ums Leben – hier und im Schloß Hartheim bei Linz.

Trotz unmenschlicher Behandlung gelang es dem Nazi-Regime nicht, sie zu überwinden. Sie bewahrten ihre christlichen Werte, ihre Menschenfreundlichkeit untereinander und zu anderen!

Sie zeichneten sich auch durch unbeugsamen MUT aus, wenn es um ihre GOTTESANBETUNG ging.

Die Loyalität und Integrität dieser treuen Zeugen Jehovas im KZ Dachau, steht uns Nachgeborenen als leuchtendes Beispiel vor Augen!

Diese menschliche Größe entfaltet seine WIRKSAMKEIT bis in unsere TAGE.

Wie viele Zeugen Jehovas litten und starben im KZ Dachau? Was ist ihnen widerfahren? Welches Zeichen setzt die heutige Veranstaltung?

Darauf wird nun Herr Wrobel eingehen.

Anschließend folgt, wie erwähnt, die Enthüllung der Gedenktafel durch Herrn Ebstein und Frau Dr. Distel.



Copyright (c) 2023 Johannes S. Wrobel. Online-Manuskript auf www.lilawinkel.de (frei für Bildungszwecke):

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